- Mit Märchen das Leben meistern
- Nikolaus Graf Praschma - 21.02.2019
- "Es war einmal..." Generationen von Kindern haben bei diesen Anfangsworten abends im Bett gelegen und auf-merksam zugehört, bevor sie wenig später eingeschlafen sind. Darin, daß heute im Zeitalter von Internet, Handy, Facebook und anderen sogenannten "sozialen Medien" nur noch selten Märchen erzählt werden, sieht Ulla Konold ein gravierendes Defizit: "Eltern müßen für ihre Kinder da sein, mit ihnen reden, Geschichten erzählen."
Als Märchenerzählerin hat sich Frau Konold im Nürnberger Raum und darüber hinaus bei Groß und Klein einen Namen gemacht. Auf Einladung der Schwarzenbrucker Grundschule sowie beider Kindergärten des Ortes sowie den Kindertages-stätten in Rummelsberg und Lindelburg erlebten zahlreiche Mütter in der Bürgerhalle auf entspannende Weise einen span-nenden Abend mit verschiedenen Ratschlägen: Wie findet ein Kind seinen Weg ins Leben? Wie lernt ein Kind, schwierige Si-tuationen zu überstehen? Wie nimmt man dem Kind Angst vor Gefahren, Problemen?
Für Ulla Konold ist die Antwort auf diese Fragen ganz einfach: Durch Märchen. Sie zitiert dazu den Göttinger Neurobiologen Dr. Gerald Hüther: "Märchen sind als positive Vorbilder und Lebensgeschichten eine wichtige Hilfe zur Erlangung von Autonomie." Und weiter: "Märchen ermutigen auch in schwierigen Lebensphasen, Vertrauen zu haben und mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen."
Soweit die Theorie. Aber natürlich ging die Märchenerzählerin auch in die Praxis: Mit ihrer ruhigen, warmherzigen, stets Ver-trauen erweckenden Stimme erzählte die große, schlanke Frau, ein bodenlanges rotes Kleid mit Ornamenten tragend, umgeben von zahlreichen Kerzen, zuerst die Geschichte von dem guten weißen und dem bösen schwarzen Wolf. "Welcher der beiden wird überleben?", fragt sie in die Runde und gibt die Antwort: "Der wird überleben, der gut gefüttert wird." Mit anderen Worten: Ein Kind muß lernen, Verantwortung zu übernehmen - für den weißen Wolf.
In den Märchen der Gebrüder Grimm, so die Referentin, werden alle Lebenswege beschrieben: Vom Däumling über den Drachen bis zur bösen Schwiegermutter - das Kind mache emotionale Erfahrungen. "In ihrem Kind werden Werte erzeugt", sagt sie eindringlich, "das Medium Märchen gibt Sicherheit und Vertrauen."
Konold, selbst Mutter zweier erwachsener Söhne, plädiert mit großem rhetorischen Engagement: "Die Kinder lernen auch, daß man zu seinem Wort stehen muß, daß Geld und Gold nicht das Wichtigste im Leben sind."
Für die wenigen Männer unter ihrem Publikum hat die Märchenerzählerin ein kritisches Wort: "Männer übergeben oft den Schlüßel der Gefühle an die Frauen". Sie sollten selbst stärker in die Welt dieser Gefühle eintauchen. Mit einem Märchen erläutert Konold, was sie meint: Im Paradies sitzt Eva alleine her-um, langweilt sich, ist schlecht gelaunt. Gott fragt sie: "Eva, was ist los mit dir?" Eva erwidert patzig: "Laß mich in Ruhe. Du hast alles für mich gemacht. Auch die Schlange ist ganz nett. Aber ich langweile mich..." Darauf Gott: "Ich erschaffe einen Mann. Er wird groß, stark, attraktiv und eitel sein. Versprich mir nur, ihm nicht zu sagen, daß ich dich zuerst erschaffen habe..."
Konolds Eintreten für Märchen wird übrigens von einer Berühmtheit unterstützt: "Mehr als alles auf der Welt lehrten mich die Märchen", so Johann-Wolfgang von Goethe.
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Ulla Konold in ihrem Element: Märchen erzählen.
Foto: privat
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